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Die Entwicklung des BVMI: So fing alles an ...
Von M. Rothemund und U. Eckert

Anfang März 1982 fand in Berlin unter Leitung von P.L. Reichertz und P. Köppe eine Fachtagung des Fachausschusses 14 ("Anwendungen in der Medizin") der Gesellschaft für Informatik (G1) und des Fachbereiches Medizinische Informatik der Gesellschaft für Medizinische Dokumentation, Informatik und Statistik (GMDS) statt.

Thema dieser Tagung waren die "Erfahrungen mit dem Anwendungsfach Medizin im Rahmen eines Informatikstudiums" (HAA92, REI82). initiiert durch den Vortrag von D.P. Pretschner "Berufspolitische Aspekte zur Fachanerkennung als Medizinischer Informatiker" (PRE82) wurde in Berlin unseres Wissens erstmals intensiv und ausführlich über berufspolitische Probleme im Umfeld der Medizinischen Informatiker diskutiert. Ausgangspunkt dazu waren fünf von Pretschner aufgeworfene Fragenkomplexe:

  • Wie läßt sich der Medizinische Informatiker in die Klinikstruktur mit Aufstiegsmöglichkeiten eingliedern? über Datenschutz, Datenbanken, Abteilungsinformationssysteme, med. Bild und Signalverarbeitung (digitale Radiologie, Ultraschall, Szintigraphie, CT, ECT, MMR, Audiometrie, EKG, EEG etc.)?
  • Wie ist die Situation im Ausland, z.B. in Amerika, England, Schweden mit besserer Integration von Naturwissenschaftlern in die Klinik? Kann man von dort lernen?
  • Kann oder soll ein Medizinischer Informatiker einem Medizin-Physiker gleichgestellt werden?
  • Welche Funktionen ergeben sich für den Medizinischen Informatiker nach dem von ihm nicht kontrollierten Eindringen autonomer, dezentraler Personal-Computer-Systeme? Anwendungsberater? Programmierer?
  • Ist es notwendig, für den Medizinischen Informatiker berufspolitische Ziele zu definieren? Wenn ja, welche sollten es sein und wie könnte man zu ihrer Durchsetzung vorgehen?

Im folgenden sollen aus unserer Sicht weitere Gründe für eine wie auch immer geartete "berufspolitische Betätigung" aufgeführt werden.

  • Der prozentuale Anteil wissenschaftlich ausgebildeter Medizinischer Informatiker, die auch im medizinischen Bereich arbeiten, ist nicht groß (RAU92), bzw. nimmt ständig ab (ROT82): z.B. von 90 Prozent im März '79 bis auf 53 Prozent im November '81 bei den Absolventen des Studienganges Medizinische Informatik an der Universität Heidelberg / Fachhochschule Heilbronn. Und nur 6 Prozent arbeiten tatsächlich im Krankenhaus, obwohl dies bei der Planung und Einführung des Studienganges als eines der hauptsächlichen Einsatzgebiete des Medizinischen Informatikers betrachtet wurde. Hier arbeiten ärzte mit Zusatzbezeichnung, Diplom-Physiker, Diplom-Ingenieure, etc. (PRE82).
  • Der Berufsstand der Medizinischen Informatiker ist in keiner Weise gefestigt; es sind keine Arbeitsstellen gesetzlich verankert, wie z.B. der durch die Strahlenschutzverordnung (BGB76) vorgeschriebene Arbeitsplatz eines "besonders ausgebildeten Physikers" in der Radiologie, der meist von einem Medizin-Physiker besetzt ist.
  • Dauerstellen in der Stellenhierarchie von z.B. Instituten und Kliniken, die dem Berufsbild des Medizinischen Informatikers entsprechen, sind rar. Inwieweit der Arbeitsmarkt fähig ist, genügend adäquate Stellen für Medizinische Informatiker anzubieten, wird sich zeigen, wenn demnächst die immer größer werdende Zahl neuer Absolventen mit älteren Absolventen, deren Zeitverträge ablaufen, um Arbeitsplätze konkurrieren.

Die bisher genannten Gründe bedeuten nicht, daß keine spezifischen Aufgaben für Medizinische Informatiker in Instituten und in der Wirtschaft vorhanden sind. Vielmehr werden geeignete Stellen durch den geringen Bekanntheitsgrad der Studiengänge mit Hochschulabgängern anderer Fachrichtungen besetzt. Ein Beleg für das Vorhandensein von Stellen ist der hohe Prozentsatz (bei Heidelberg / Heilbronner Absolventen 37 Prozent) der Arbeitsplätze, die durch Kontakte bei der Durchführung der Diplomarbeit gefunden wurden. In solchen Fällen haben einige wenige potentielle Arbeitgeber erfahren, daß es zur Bearbeitung ihrer Aufgaben speziell ausgebildete Leute gibt.

Die Verschiedenheit der Berufsbezeichnungen (Medizinischer Informatiker, Medizininformatiker, Informatiker mit Nebenfach Medizin, usw.) verhindert bisher ein klares Berufsbild des Medizinischen Informatikers auf dem Arbeitsmarkt.

Das Reisensburger Protokoll (REI73) enthält eine Liste der möglichen Betätigungen von Medizinischen Informatikern:

  • Leiter des Rechenzentrums in mittleren und größeren Krankenhäusern
  • Leiter der Abteilung für Medizinische Datenverarbeitung im Krankenhaus (beide Positionen mit leitender Funktion entsprechend den ärztlichen Einrichtungen)
  • Leiter einer Abteilung für Medizinische Informatik in ärztlicher Körperschaft
  • Leiter einer Abteilung für Medizinische Informatik bei Versicherungsträgern
  • Leiter der Abteilung für Medizinische Datenverarbeitung in sonstigen medizinischen Institutionen, z.B. öffentlicher Gesundheitsdienst, Gruppenpraxen, diagnostische Zentren
  • Leiter einer wissenschaftlichen Abteilung für Medizinische (bzw. klinische) Informatik an Forschungsinstitutionen
  • Leiter einer Abteilung für medizinische Datenverarbeitungssysteme der Industrie.

Diese Liste muss u.a. realistischerweise nach "unten" erweitert werden:

  • leitende Angestellte in den oben genannten Bereichen
  • Angestellte in den oben genannten Bereichen.

Das bedeutet, daß die bei der Einführung entsprechender Studiengänge anvisierten Arbeitsstellen in Wirklichkeit noch nicht durch deren Absolventen besetzt sind. Dies mag auch eine Frage der Zeit sein, sollte aber trotzdem zum Nachdenken anregen.

Aus solchen überlegungen heraus wurde auf der Arbeitstagung in Berlin die Konstituierung einer berufspolitisch tätigen Gruppe als dringend erforderlich betrachtet. Zwei Möglichkeiten der Realisierung standen zur Diskussion:

  1. Die Gründung einer berufspolitisch orientierten Fachgruppe innerhalb der GMDS
  2. Die Gründung eines eigenständigen Berufsverbandes

Der zweiten Möglichkeit wurde der Vorzug gegeben, da sie unabhängiger, handlungsfähiger und damit wirksamer erscheint. In bezug zu den oben genannten Gründen sollte die Aufgabe eines solchen Berufsverbandes insbesondere

  • die Herantragung des Berufsbildes an Krankenhäuser und andere Gesundheitsversorgungseinrichtungen
  • Verbandsarbeit im Hinblick auf Gesetzgebung, Verordnungen und Verfahren
  • Stellenmarkt und Informationsvermittlung

sein. Als erste Tätigkeiten eines Berufsverbandes kann man sich die Herausgabe einer Broschüre ähnlich der Broschüre "Klinischer Chemiker", sowie Aktivitäten bei der Krankenhausgesellschaft, Arztverband, den Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens respektive den Medizinbeauftragten der einschlägigen Ministerien vorstellen. (zitiert nach Reichertz)

Eine wichtige Aufgabe des Berufsverbandes sehen wir auch darin, die richtige Einschätzung der Bedeutung des Zertifikats "Medizinischer Informatiker" (MöH78) im Verhältnis zu dem Diplomabschluß in Medizinischer Informatik durchzusetzen.

Für die Arbeit des Berufsverbandes wäre es nützlich, wenn möglichst viele Inhaber des Zertifikats "Medizinische Informatik" Mitglied würden. Der interdisziplinäre Charakter der Medizinischen Informatik wäre dann auch im Berufsverband repräsentiert. Ohne einen Berufsverband besteht zur Zeit die Gefahr, daß infolge einer falschen Bewertung der Bedeutung des Zertifikats "Medizinische Informatik" die besseren Positionen auf unserem Arbeitsgebiet den Inhabern des Zertifikats vorbehalten bleiben.

Nachrichten

News

Nachruf Prof. Dr. sc. hum. Paul Schmücker

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Mit großer Trauer und tiefem Respekt nehmen wir Abschied von Prof. Dr. Paul Schmücker, der im Alter von 76 Jahren am 19.03.2025 verstorben ist. Mit ihm verlieren wir nicht nur einen der profiliertesten Köpfe der deutschen Gesundheits-IT, sondern auch einen leidenschaftlichen Gestalter, scharfsinnigen Diskussionspartner und geschätzten Kollegen und Freund.
Paul Schmücker widmete sein gesamtes Berufsleben der Medizinischen Informatik. Mit beeindruckender fachlicher Tiefe, klarem analytischen Verstand und einer großen Portion Humor und Empathie hat er die digitale Transformation des Gesundheitswesens über Jahrzehnte mitgeprägt – in Forschung und Lehre ebenso wie in zahlreichen Gremien, Projekten und Netzwerken.
Sein Engagement begann früh: Bereits 1987, als er an die Universität Heidelberg wechselte und dort die Archivleitung übernahm, erkannte er die Bedeutung digitaler Archive und gründete die Arbeitsgruppe „Archivierung von Krankenunterlagen“ in der GMDS, die er mit großer Energie und Überzeugung leitete. Daraus entstand ein weitreichendes Netzwerk sowie zahlreiche Impulse für die Professionalisierung der Krankenhaus-IT.
Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte sich Paul Schmücker über Jahrzehnte hinweg für den fachlichen Austausch in der Community. Die von ihm mitgestaltete KIS-Tagung war jahrelang ein zentraler Treffpunkt für die Branche. Mit großem Einsatz begleitete er auch deren Integration in die damalige conhIT – heute DMEA – und prägte die Veranstaltung maßgeblich mit. Die von ihm initiierte DMEA-Satellitenveranstaltung, die er mit pointierten Inhalten und exzellenten Referent*innen organisierte, wurde schnell zu einem geschätzten Highlight.
Nach seinem Wechsel an die Hochschule Mannheim setzte er seine Arbeit als Professor für Medizinische Informatik fort und vermittelte mit Begeisterung Wissen an junge Menschen. Viele seiner Absolvent*innen erinnern sich an ihn als fordernden, engagierten und inspirierenden Lehrer, der stets ein offenes Ohr hatte – und kein Blatt vor den Mund nahm.
In den Fachverbänden war Paul Schmücker eine feste Größe. Als Präsident der GMDS und späteres Ehrenmitglied setzte er Impulse, brachte Projekte auf den Weg und vertrat klare Positionen. Im BVMI, bvitg, KH-IT und als Botschafter der Entscheiderfabrik war er ein gefragter Experte und Ideengeber. Auch im CCeSigG war er aktiv und zeigte eindrucksvoll, wie IT zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen beitragen kann. Auch in der bundesweiten Medizininformatik-Initiative (MII) ab 2016 engagierte er sich stark – auch hier mit einem besonderen Schwerpunkt zu den Themen Lehre und Fortbildung.
Paul Schmücker war kein Diplomat – und genau das machte ihn aus. Er sprach aus, was gesagt werden musste, stets fundiert, oft mit spitzer Zunge, aber nie verletzend. Seine direkte Art, gepaart mit fundiertem Wissen und der Fähigkeit, auch komplexe Sachverhalte verständlich zu vermitteln, machte ihn zu einem wertvollen Partner, Mentor und Diskussionsführer.
Wir verlieren mit ihm einen Fachmann, kritischen Geist und Innovator, vor allem aber einen Menschen und Freund, der mit Offenheit, Humor und unbeirrbarer Klarheit unsere Arbeit geprägt hat. Seine Stimme wird fehlen – sein Wirken bleibt.
In tiefer Dankbarkeit und
Die Vorstände/Präsidien und Mitglieder von GMDS, BVMI, bvitg, CCeSigG, TMF und KH-IT


 

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