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Schon in früheren Zeiten wurden Informations- und Kommunikationstechniken auch im Gesundheitswesen genutzt, um zeitliche und räumliche Distanzen zwischen Kranken und Ärzten zu überwinden. Doch von „Telemedizin“ als der Übertragung medizinischer Information mittels der Informations- und Telekommunikationstechnologien für Diagnose, Therapie und Lehre ist erst seit Nutzung der elektronischen Medien zur Speicherung und Übertragung medizinischer Information die Rede. Aufgrund der genutzten Kommunikationsmedien können zwei große Entwicklungsphasen der Telemedizin unterschieden werden. Die erste beruhte im wesentlichen auf analogen elektrischen bzw. elektronischen Kommunikationstechniken: der Telegraphie und Telefonie in den 1840er -1920er, dem Radio seit den 1920er und dem Fernsehen seit den 1950er Jahren. Da die Kosten für diese frühen Systeme sehr hoch waren, es damals keinerlei kommerzielle medizinische Informations- und Kommunikationsausrüstungen gab und die Möglichkeiten der Mensch-Computer-Interaktion noch sehr begrenzt waren, liefen diese Projekte der ersten Telemedizingeneration in den 1970er Jahren aus. Charakteristikum der zweiten Phase ist die digitale Kommunikationstechnik, deren Aufkommen für einen rasanten Anstieg entsprechender Forschungen und Entwicklungen in den 1990er Jahren sorgte. Verfahren zur Bilddigitalisierung und Datenkompression ermöglichten die Übertragung von Videodaten über Leitungen niedriger Bandbreite und mit Tim Berners-Lees 1993 ins Internet eingeführtem World Wide Web konnten auf verschiedenen Rechnern gespeicherte Dateien miteinander verknüpft werden. Telemedizin zweiter Generation wurde somit erst in den 1990er Jahren Wirklichkeit, doch Visionen dazu gab es schon kurz nach der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts!

Bereits Mitte der 50er Jahre formulierte der als Pionier der Fernsehtechnik bekannte Direktor der Medical Electronic Research Group am Rockefeller Institute Vladimir K. Zworykin als Leitziel die „computergestützte Diagnose“. Gegen Ende des Jahres 1956 fragte das Air Research and Development Command der U.S. Air Force bei der Division of Medical Sciences des National Research Council. nach den möglichen Anwendungen der Computer in Biologie und Medizin an. Aus einer im Oktober 1956 am Harvard Computation Laboratory organisierten Zusammenkunft zu diesem Thema folgten erste Konferenzen über „Electronic Techniques for Mathematical Operations in Biology and Medicine“ aus der ab 1957 das jährlich auf der IRE Convention stattfindende Symposium on the Applications of Computers in Biology and Medicine hervorging.

1960 kam Ledleys Buch Digital Computer and Control Engineering heraus, das er mit Szenarien möglicher Anwendungen der Digitalcomputer einleitete. Er betonte ihren Nutzen für die medizinische Diagnostik, er brachte hier aber auch eine Vision zu Papier, als er die Möglichkeiten moderner elektronischer Digitalcomputer im Gesundheitswesen beschrieb. Er sah voraus, „that the physician can directly communicate with the computer by telephone, teletype, radio etc. The value of such a computer interrogation arises from three factors: (1) the ability of the computer to formulate a treatment plan that will maximize the chance of curing the patient; (2) the ability to determine the minimum number of necessary medical laboratory tests or other diagnostic procedures for the particular patient; and (3) the ability to evaluate more accurately diagnostic-test results for a particular patient based upon his previously recorded health records.“ Das von Ledley beschriebene “Computernetzwerk” „could form a hypothetical health-computing system“ für Computer, Ärzte, Forschungszentren und Krankenhäuser, „receiving, transmitting, and computing medical information as required.” Ledley äußerte die Überzeugung, dass: „the great significance and importance of such a health-computer network cannot be overestimated as an aid to increasing individual good health and longevity and as a vast new source of medical information concerning mankind.“

Lusted übernahm diese Vision von einem „regional medical data network“, als er 1962 in einem Zeitschrifteneditorial schrieb: “In the near future we must try to develop a medical center information-processing system which will integrate: 1) the electronic monitoring equipment for patient care; 2) the medical automatic data processing systems which handle medical records and aid in medical diagnosis and treatment; and 3) the medical literature searching (library) equipment.” Ledleys und Lusteds Vision von einem „health computer network“ nahm somit schon zur Wende von den 50er zu den 60er Jahren die erst heute langsam Realität werdende Integration der beiden Forschungsrichtungen „Wissensbasierte Systeme“ und „Telemedizin“ vorweg.

Licklider, ein computerbegeisterter Verhaltenspsychologe war 1961 Direktor des Command and Control Office und des Behavioral Science Office der zum USVerteidigungsministerium gehörenden Advanced Research Project Agency (ARPA) geworden. Seine Visionen von einer Man-Computer Symbiosis und von einem Time-Sharing-Computernetz, über das Menschen miteinander kommunizieren, führte ihn und seine Mitarbeiter in der ARPA-Abteilung, die später in Informations Processing Techniques Office (IPTO) umbenannt wurde, zur Entwicklung des ARPANET, dessen nicht-militärischer Anteil in den 1980er Jahren zum Internet weiterentwickelt wurde. Gegenstand des Buchs Librairies of the Future ist Lickliders Vision von dem System Symbiont, das Benutzern den Netzzugang zu Bibliotheken ermöglicht. In den 1970er Jahren wurden weitere Visionen zukünftiger Bibliotheken und papierloser Büros publiziert. Motiviert wurden diese Veröffentlichungen nicht zuletzt durch die Existenz von Computerdatenbanken, die in den 1950er und 1960er Jahren entstanden waren, z. B. die von der National Library of Medicine (NLM) betriebene Literaturdatenbank MEDLINE.

Erst in den 1990er Jahren kann von einer erfolgreichen Entwicklung einer zweiten Telemedizingeneration gesprochen werden, bei der die genannten Visionen verwirklicht wurden. Neu entwickelte Technologien überwanden frühere Unzulänglichkeiten, steigende Kosten und der Ruf nach Qualitätssteigerung im Gesundheitswesen zeigten hier einen „neuen Markt“ auf und schließlich wurde diesen Entwicklungen durch politische Entscheidungen der Weg geebnet. Aufgrund der besseren Technologien stieg auch die Akzeptanz der Kliniker, die zu mehr Kooperationsbereitschaft mit den Technikern führte. In den 1990er Jahren wurden somit die Anforderungen in vielen Teilen der Gesellschaft erfüllt, die Voraussetzung für das Gelingen der komplexen technologischen Entwicklung der Telemedizin ist. [1]

 

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Nachruf Prof. Dr. sc. hum. Paul Schmücker

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Mit großer Trauer und tiefem Respekt nehmen wir Abschied von Prof. Dr. Paul Schmücker, der im Alter von 76 Jahren am 19.03.2025 verstorben ist. Mit ihm verlieren wir nicht nur einen der profiliertesten Köpfe der deutschen Gesundheits-IT, sondern auch einen leidenschaftlichen Gestalter, scharfsinnigen Diskussionspartner und geschätzten Kollegen und Freund.
Paul Schmücker widmete sein gesamtes Berufsleben der Medizinischen Informatik. Mit beeindruckender fachlicher Tiefe, klarem analytischen Verstand und einer großen Portion Humor und Empathie hat er die digitale Transformation des Gesundheitswesens über Jahrzehnte mitgeprägt – in Forschung und Lehre ebenso wie in zahlreichen Gremien, Projekten und Netzwerken.
Sein Engagement begann früh: Bereits 1987, als er an die Universität Heidelberg wechselte und dort die Archivleitung übernahm, erkannte er die Bedeutung digitaler Archive und gründete die Arbeitsgruppe „Archivierung von Krankenunterlagen“ in der GMDS, die er mit großer Energie und Überzeugung leitete. Daraus entstand ein weitreichendes Netzwerk sowie zahlreiche Impulse für die Professionalisierung der Krankenhaus-IT.
Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte sich Paul Schmücker über Jahrzehnte hinweg für den fachlichen Austausch in der Community. Die von ihm mitgestaltete KIS-Tagung war jahrelang ein zentraler Treffpunkt für die Branche. Mit großem Einsatz begleitete er auch deren Integration in die damalige conhIT – heute DMEA – und prägte die Veranstaltung maßgeblich mit. Die von ihm initiierte DMEA-Satellitenveranstaltung, die er mit pointierten Inhalten und exzellenten Referent*innen organisierte, wurde schnell zu einem geschätzten Highlight.
Nach seinem Wechsel an die Hochschule Mannheim setzte er seine Arbeit als Professor für Medizinische Informatik fort und vermittelte mit Begeisterung Wissen an junge Menschen. Viele seiner Absolvent*innen erinnern sich an ihn als fordernden, engagierten und inspirierenden Lehrer, der stets ein offenes Ohr hatte – und kein Blatt vor den Mund nahm.
In den Fachverbänden war Paul Schmücker eine feste Größe. Als Präsident der GMDS und späteres Ehrenmitglied setzte er Impulse, brachte Projekte auf den Weg und vertrat klare Positionen. Im BVMI, bvitg, KH-IT und als Botschafter der Entscheiderfabrik war er ein gefragter Experte und Ideengeber. Auch im CCeSigG war er aktiv und zeigte eindrucksvoll, wie IT zur Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen beitragen kann. Auch in der bundesweiten Medizininformatik-Initiative (MII) ab 2016 engagierte er sich stark – auch hier mit einem besonderen Schwerpunkt zu den Themen Lehre und Fortbildung.
Paul Schmücker war kein Diplomat – und genau das machte ihn aus. Er sprach aus, was gesagt werden musste, stets fundiert, oft mit spitzer Zunge, aber nie verletzend. Seine direkte Art, gepaart mit fundiertem Wissen und der Fähigkeit, auch komplexe Sachverhalte verständlich zu vermitteln, machte ihn zu einem wertvollen Partner, Mentor und Diskussionsführer.
Wir verlieren mit ihm einen Fachmann, kritischen Geist und Innovator, vor allem aber einen Menschen und Freund, der mit Offenheit, Humor und unbeirrbarer Klarheit unsere Arbeit geprägt hat. Seine Stimme wird fehlen – sein Wirken bleibt.
In tiefer Dankbarkeit und
Die Vorstände/Präsidien und Mitglieder von GMDS, BVMI, bvitg, CCeSigG, TMF und KH-IT


 

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